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Gewichtig, vernetzt, umstritten: Was der Kulturmanager Walter Smerling aus Bonn 2025 in Chemnitz vorhat

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Der Ausstellungsmacher und Kunstexperte will Kunst aus ganz Afrika nach Chemnitz bringen. Eine Stadt, die er nie auf dem Schirm hatte, wie er sagt, bis Michael Kretschmer ihm vom Kulturhauptstadtjahr erzählt habe. Was steckt dahinter?

Wer ist Walter Smerling?

Kunst.

Ein Kulturmanager, der sehr verschiedene Reaktionen auslöst. Die einen rollen ihm den roten Teppich aus, erhoffen durch seinen Namen, seine Erfahrungen und Kontakte zu einflussreichen Künstlern und Kunstsammlern spektakuläre Ausstellungserfolge. Die anderen werden rot vor Zorn und argumentieren gegen unseriöses Arbeiten im Kunstbetrieb, gegen das "System Smerling", gegen ein System weißer Männer. Smerling, geboren 1958, zu Hause in Bonn, arbeitete unter anderem als Autor und Regisseur von TV-Filmen mit kulturellem Schwerpunkt. Er ist Vorsitzender der Stiftung für Kunst und Kultur in Bonn und Gründungsdirektor des von der Stiftung betriebenen Museums Küppersmühle für Moderne Kunst in Duisburg.

Die Küppersmühle zeigt vor allem Werke aus der Kunstsammlung von Sylvia und Ulrich Ströher, eine "der wichtigsten und umfangreichsten Sammlungen deutscher Kunst nach 1945", wie es auf der Internetseite der Küppersmühle heißt. Sylvia Ströher stammt aus der Gründerfamilie des Kosmetikunternehmens Wella. Die Sammlung beinhaltet Werke etwa von Josef Albers, Jean Arp, Willi Baumeister, Ernst Wilhelm Nay, Emil Schumacher, Pierre Soulages und Antoni Tàpies. Auch Werke von Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Imi Knoebel, Markus Lüpertz und Gerhard Richter werden in der Küppersmühle gezeigt. Smerling organisiert als Ausstellungsmacher und Kurator auch zahlreiche andere Kunst- und Kulturprojekte. Im vergangenen Jahr gehörte beispielsweise die umstrittene Ausstellung "Dimensions" zu digitaler Kunst in Leipzig dazu. Smerling wurde 2020 mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen geehrt.

Was hat er in Chemnitz vor?

Im Mai kommenden Jahres möchte er im Wirkbau eine Ausstellung mit Gegenwartskunst aus Afrika zeigen. Ein internationales Kuratorium aus Kunstexperten, die entweder in Afrika leben oder afrikanischer Abstammung seien und die afrikanische Kunstszene kennen, werde die Werke aussuchen, so Smerling. Gespräche mit Künstlern liefen. Auch eine Zusammenarbeit mit der Kunstbiennale in Dakar im Senegal werde ausgelotet; so könnten dort im Herbst gezeigte Werke dann auch in Chemnitz zu sehen sein. Er plane auch, dass Künstler aus Afrika für Artist-in-Residence-Projekte nach Chemnitz kommen, um hier für einige Wochen zu leben und zu arbeiten, auch Gesprächsrunden mit ihnen und Jugendlichen aus Chemnitz schweben Smerling vor.

Wieso setzt Smerling auf Afrika?

Weil ihm und der Stiftung der interkulturelle Dialog wichtig seien, sagt er im Gespräch mit der "Freien Presse". Schon vor über 20 Jahren habe man beispielsweise Ausstellungsprojekte mit chinesischen Künstlern organisiert. Nun wolle man das künstlerische Gesicht Afrikas zeigen, und damit auch, dass dieser Kontinent nicht nur mit Krieg und Krisen verbunden sei. Afrika müsse ein wichtiger Partner sein - schon allein aufgrund dessen, dass dort über eine Milliarde Menschen leben und Afrika ein Nachbar Europas ist. "Wir müssen einen engeren Dialog führen", sagt Smerling.

Was genau soll gezeigt werden?

Etwa 60 bis 80 Werke verschiedenster Art, darunter Malerei, Videos und Fotografie. Einen geografischen Schwerpunkt gebe es nicht, im Gespräch seien Künstler unter anderem aus Südafrika, Kenia, Marokko, Nigeria, Senegal und von der Elfenbeinküste. Nach derzeitigem Stand werde das Projekt privat durch Sponsoren und durch Förderer der Stiftung in Bonn bezahlt, die Finanzierung stehe aber noch nicht komplett.

Wie kam er auf Chemnitz?

Bisher hatte Smerling Chemnitz nicht auf dem Schirm, wusste auch nichts von der Zukunft als Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2025. Bis er vor einiger Zeit mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer über seine Pläne zu einer Ausstellung afrikanischer Kunst gesprochen und der ihm vorgeschlagen habe, damit 2025 in die Kulturhauptstadt zu gehen. Mit der Ausstellung will Smerling nach eigenem Bekunden nun auch einen Beitrag zu einem Dialog leisten in einer Stadt "mit offenbar sehr divergierenden politischen Ansichten", wie er formuliert.

Warum ist Smerling umstritten?

Die Vorwürfe sind vielfältig und komplex. Smerling nutze mitunter öffentlich mitfinanzierte Ausstellungen beziehungsweise öffentlich finanzierte Ausstellungsräume, um dort Kunst befreundeter und auch umstrittener Sammler zu zeigen und den Marktwert der Kunstwerke und Künstler zu steigern. Als ein Beispiel wird die Anselm-Kiefer-Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn 2012 genannt. Auch wird kritisiert, dass er Kunstschaffenden der "Diversity United"-Ausstellung in Berlin 2021 keine Honorare gezahlt oder dass bei einem von Smerling geleiteten Kunstprojekt der Deutschen Bahn mit öffentlichen Mitteln kein Wettbewerb in Form einer Ausschreibung stattgefunden habe. Kritisiert wird auch, mit wem er sich einlasse. Schirmherr der "Diversity-United"-Ausstellung war Putin - allerdings neben Steinmeier und Macron noch vor dem Krieg. Bei der "Dimensions"-Ausstellung monierte die Kunstszene, dass als Hauptsponsor Palantir auftrat - ein US-amerikanisches Datenanlayse-Unternehmen, das unter anderem als eine Schlüsselfirma der Überwachungsindustrie kritisiert wird.

Was sagt Smerling selbst dazu?

Die Kritik könne er nicht nachvollziehen, verdeutlicht er gegenüber "Freie Presse". Die allermeisten seiner Projekte seien privat finanziert, zu vielen davon werde er von anderen als Ausstellungsmacher angefragt. Dass bei der "Diversity-United"-Ausstellung in Berlin zum Großteil keine Honorare gezahlt worden seien, sei vorher mit den Künstlern vertraglich festgelegt worden. Und dass Palantir Hauptsponsor war, sei allen beteiligten Künstlern vorher bewusst gewesen, sie hätten darin kein Problem gesehen. Vielmehr habe man damit auch eine Diskussion angeschoben über notwendige Regularien für neue Technologien.

Was sagen andere in Chemnitz?

"Das Thema Afrika ist hoch spannend", sagt Florence Thurmes, Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz. "Es gibt dort starke zeitgenössische Positionen." Entscheidend für die Seriosität einer derartigen Ausstellung sei, wie das Kuratorium zusammengesetzt ist. Es sollte aus Experten bestehen, die aus den Ländern stammen und sich in den dortigen Kunstszenen auskennen.

Stadtsprecher Matthias Nowak bestätigt, dass Smerling mit der Projektidee auf die Stadt zugekommen sei. Es sei ihm aber signalisiert worden, dass es dafür keine öffentlichen Mittel aus dem städtischen Haushalt beziehungsweise dem Budget der Kulturhauptstadt-gGmbH geben könne. "Die Gründe dafür sind unter anderem, dass die Mittel für das Kulturhauptstadtjahr bereits gebunden waren und dass das Thema Afrika keinen direkten Bezug zur Europäischen Kulturhauptstadt hat", so Nowak. Gleichwohl wolle sich die Stadt einer eigenfinanzierten Privatinitiative nicht verschließen. "Im Falle von Herrn Smerling ist der Stadt auch wichtig - nicht zuletzt aufgrund gewisser Diskussionen bei vorangegangenen Ausstellungen - dass ein entsprechendes Diskurs- und Vermittlungsprogramm mit aufgesetzt wird."

Fazit

So, wie Smerling nach seiner derzeitigen Erläuterung an die Afrika-Ausstellung herangeht, klingt das Vorhaben sinnvoll und vielversprechend. Fakt ist aber auch: Der private Kunstbetrieb mit Sammlern, Künstlern und Kuratoren ist nicht immer transparent und kann zu unethischen Praktiken einladen. Vertrauen zu Smerling aufzubauen ist nicht einfach, so oft, wie er in den Negativ-Schlagzeilen auftauchte. Andererseits: Einem derart gut vernetzten Mann die Tür vor der Nase zuschlagen? Keine gute Idee. Eine Absicherung für Chemnitz ist, kein öffentliches Geld zu geben. Und Kunstexperten dieser Stadt sollten signalisieren: Lieber Herr Smerling, wir sind gespannt auf ihr Projekt, werden aber auch genau hinsehen.

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