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Urban Farming auf dem Sonnenberg in Chemnitz: Wo Menschen, Karpfen und Tomaten gemeinsam in einer WG leben

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Landwirtschaft auf dem Land, Industrie und Dienstleistungen in der Stadt – diese Arbeitsteilung herrscht in den meisten Regionen vor. Ein Projekt will das ändern. Wie funktioniert die Aquaponik?

Chemnitz.

Wie sieht die Stadt von morgen aus? Und woher bekommt sie ihre Nahrungsmittel? Mit dieser Frage setzt sich auf dem Sonnenberg in Chemnitz ein Projekt auseinander. Mehr Nachhaltigkeit ist die Antwort des „Karree 49“ an der Peterstraße. Im aufwendig umgebauten Altbau wohnen seit 2021 nicht nur einige Chemnitzer, sondern auch Störe, Karpfen, Forellen, Gurken- und Tomatenpflanzen sowie einige Kräuter. Die Pflanzen und Tiere leben dabei nicht nur nebeneinander, sondern bedingen sich gegenseitig.

So funktioniert Aquaponik

Das Prinzip der Aquaponik verbindet Fischzucht mit Pflanzenanbau. Im Keller der Peterstraße 26 schwimmen etwa 400 Fische in großen Wasserbehältern. Störe, Koi-Karpfen und Forellen ziehen hier ihre Kreise. Mit ihren Ausscheidungen liefern sie Nährstoffe für die Pflanzen, die einen Stock darüber wachsen. Ein geschlossener Wasserkreislauf führt das durch die Pflanzen gereinigte und biologisch gefilterte Wasser später wieder zurück in die Fischbecken.

„Es geht ein wenig Wasser durch Verdunstung verloren“, sagt Stefan Willi. Er ist seit zwei Jahren im Projekt beschäftigt und leitet die Öffentlichkeitsarbeit. Ein Teil des verdunsteten Wasser wird schon wieder aufgefangen. „Auf das Jahr gesehen müssen wir etwa zehn Prozent der Füllmenge an Wasser wieder auffüllen“, so Willi. Der Rest kreise aber schon seit Ende 2021 durch die langen Leitungen, die zwischen den Etagen des Altbaus verlaufen.

Aquaponik ist eine ressourcensparende Form der Bewirtschaftung. Auch zusätzliche Nährstoffe, die die Pflanzen benötigen, werden biologisch gewonnen. „In unserer Wurmkiste verarbeiten Kompostwürmer die Gemüseabfälle“, sagt Willi. Das damit gewonnene Düngemittel wird nach Bedarf zugegeben. Jeden Tag werden Wassertemperatur und Sauerstoffgehalt überprüft, dreimal in der Woche auch die Nährstoffe.

„Karree 49“ als Versuchslabor für die Kreislaufwirtschaft der Zukunft

Im „Karree 49“ sind noch einige Stockwerke frei, die sich nach und nach füllen sollen. Die zweite Etage könnte schon in diesem Jahr bepflanzt werden, hofft das Team. Aber unendlich vergrößern und skalieren will man das vor Ort nicht, sagt Willi. „Wir sind hier eher ein Versuchslabor. Wir experimentieren und schauen, wo die Herausforderungen bei einer solchen Kreislaufwirtschaft liegen“, erklärt er.

Die tierische Seite, also die Fische im Keller, habe man schon gut im Griff. Aber die Pflanzen machen noch etwas Sorgen. Immer wieder kommt es zu Schädlingsbefall, der biologisch – mit Nützlingen, wie Raubmilben und Florfliegen – bekämpft wird. „Seit wir eine Gärtnerin im Team haben, hat sich die Situation aber schon gebessert“, so Willi.

Kann sich das Projekt mit dem Verkauf der Gurken und Tomaten letztlich refinanzieren? Nein, da komme noch mehr Geld durch den Fischverkauf rein. Aber in Verbindung mit den Bildungseinrichtungen im Haus gehe die Mischkalkulation auf. Ab und an gibt es den Fisch und das geerntete Gemüse im Hofladen zu kaufen.

In einem neuen Forschungsprojekt werden im „Karree 49“ bald sogenannte Saatschnüre erprobt. Diese werden an Wasserleitungen an der Decke befestigt und hängen von dort herab. Aus ihnen sprießen zum Beispiel Kräuter, die dann in drei Dimensionen wachsen und geerntet werden können. „Wir wollen langfristig den Pflanzenanteil in der Stadt stark erhöhen“, erklärt Stefan Willi.

Die Vision: Junge Menschen für Nachhaltigkeit begeistern

Die Lebensmittelproduktion soll irgendwann auch in einer Großstadt wie Chemnitz möglich sein. Einige Metropolen Asiens seien da schon einen Schritt voraus. Und auch in den Niederlanden gebe es einen größeren Anteil an Hydrokulturen. Das sind Pflanzungen, die nicht in der Erde, sondern im Wasser wurzeln.

„Meine Vision wäre, dass es in der nächsten Generation mehr Experten für Kreislaufwirtschaft gibt und sich junge Menschen für Nachhaltigkeit begeistern“, sagt Willi. Diese Vision möchte er zukünftig auch im Rahmen von Führungen durch das „Karree 49“ verbreiten und einer größeren Öffentlichkeit nahe bringen. Jeden vierten Freitag im Monat um 14 Uhr sollen sie stattfinden. Anmelden kann man sich per Telefon unter 0371 45040910. (eran)

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